Jan Lieske
Fotojournalismus und Dokumentarfotografie
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Der Schmied der vor nichts Angst hat
Der Schmied, der vor nichts Angst hat


„Ich habe vor nichts Angst!“ erzählt Michael Hirth, Schmied aus Brunkensen, ganz beiläufig in einer Arbeitspause, während sein Blick über die Pflanzen des Gartens seiner Wohngemeinschaft streift. Hirth ist ein Schmied wie aus dem Bilderbuch mit breiten Schultern, kräftigen mit Schwielen versehene Hände und muskulösen Oberarmen. Aufgewachsen nahe Johannesburg in Südafrika, wo er schon als heranwachsender sein Taschengeld mit dem Verkauf von Kobra, Schwarzer Mamba und anderen giftigen Nattern und Vipern an eine angrenzende Schlangenfarm aufbesserte. Garten und Schmiede gehören zu einer Wohngemeinschaft in Brunkensen. Hier leben mehrere Menschen mit vielen Talenten, von der Landschafts-architektin über eine Leder- und Stoffdesignerin bis zum Goldschmied.
In Michael Hirths Schmiede scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. In einer Nische der Werkstatt, die zu früheren Zeiten als Räucherei verwendet wurde, brennt das Schmiedefeuer in der Esse. Davor zwei große Ambosse, an den Wänden aufgereiht hängen zahllose Schmiedezangen und Hämmer. Hirth kennt sich aus und ist mit dem Handwerk in jeglicher Weise vertraut. So hat das Metier seine Spuren in allen Religionen und Kulturen hinterlassen. „Seit dem Mittelalter ist es Tradition den Amboss morgens mit dem Hammer dreimal Anklingen zu lassen, zum Feierabend gilt dasselbe.“ Früher als der Glaube an das Übersinnliche noch stark verankert gewesen sei, habe man sich so vor dem Einfluss des Teufels schützen wollen, erzählt der Handwerker aus Leidenschaft.


Wenn die Zeit es zulässt, sammelt Michael Hirth Raseneisenerz, Sedimentbrocken die durch Eisenminerale verfestigt wurden. Manchmal baut Hirth sich dann einen Rennofen, wie es schon Kelten, Römer und Germanen vor 1000 Jahren taten, um aus dem erzhaltigen Gestein Eisen zu gewinnen. „Bis zu zwanzig Stunden dauert der Prozess, um das Eisen vom Gestein zu trennen“ so Hirth. Archäologen seien in der Vergangenheit an ihn herangetreten, um ihn ein Schwert nach aufgefundenem Original schmieden zu lassen. Meistens nutze er aber alte Gattersägeblätter und anderes geeignetes Altmetall, um aus dem eingeschmolzenen rotglühenden Metall neue Messer aus Damaszenerstahl zu schmieden.
Die Temperatur des geschmolzenen Stahls erkennt er an der jeweiligen Farbe. „Bei 400 Grad beginnt das Metall sein Gefüge zu verändern, kirschrote Färbung erhält die glühende Masse bei 800 Grad, 1000 Grad zeichnen sich durch eine weißgelbe Färbung aus.“ Wenn die Hammerschläge durch den Raum klingen und das glühende Metall unter Michael Hirth´s Hammer unermüdlich und zielsicher geformt wird, sieht es nach einer einfachen und groben Arbeit aus. Neben der reinen Muskelkraft ist aber noch viel mehr Fingerspitzengefühl, Erfahrung und Wissen um die Eigenschaften der Stahllegierungen notwendig. „Mangan sorgt für weniger Verschleiß beim Stahl, Nickel und Silicium dagegen sorgen für Flexibilität.“


Für die Herstellung des Damaszenerstahls wird das Material abwechselnd im Feuer der Esse erhitzt und unter dem Hammer gefaltet. Unterschiedlich stark gefaltete Stahlblöcke werden dann unter regem Funkenflug durch Feuerverschweißung kombiniert. „Das baut sich dann immer weiter auf. Ich versuche bei ungefähr 200 Lagen zu bleiben.“ Je höher die Lagenzahl sei, um so feiner würde der Damast werden und die charakteristische Struktur verlieren, so der Schmied. Für den letzten Schliff liegen hinter der Schmiede ausgewählte Hölzer bereit, um später zu Messergriffen verarbeitet zu werden. „Manchmal bekomme ich Tropenhölzer geschenkt, die nehme ich nicht gerne.“ Dann zählt er die verschiedenen heimischen Hölzer auf, die er selbst gesammelt hat. „Goldregen, Zwetschke, Robinie, Birke, Jahrhunderte alte Mooreiche.“

Zirkus in Not

„Heimatlos sind viele auf der Welt. Heimatlos und einsam wie ich. Überall verdiene ich meine Geld, doch es wartet niemand auf mich.“ Freddy Quinns Lied „Heimatlos“ auf den Lippen, schiebt Michael Frank den Schubkarren, gefüllt mit frischem Heu, am kleinen Zirkuszelt auf dem Föhrster Sportplatz vorbei. Die Franks, Michael und seine Mutter Emmi, schauen auf 16 schwere Monate zurück. Im März 2020 strandete der kleine Zirkus Siola am Ortsrand von Föhrste. Eine kleine Wiese zwischen Tennisplätzen, Fußballfeld, Sporthalle und Eisenbahnschienen wurde für Emmi und Michael Frank sowie ihre Ziegen, ein Pony, Tauben und Hunde zum unfreiwilligen Dauerlagerplatz.



„Ohne die Unterstützung und Hilfe der Bewohner aus der Region hätten wir die schwere Zeit nicht überstanden“, sagt der 46-jährige Frank. Das coronabedingte Auftrittsverbot hat den Zirkus an den Rand des Ruins gebracht. Einzige sichere Einkommensquelle war die spärliche Rente der 74-jährigen Emmi Frank. „Hoffnungslos ist niemand auf der Welt, hoffnungslos und einsam wie ich“, geht Michael Franks Version von Quinns Schlager weiter, während er mit der Mistgabel altes Heu aus dem Wagen entfernt. Auch auf Satellitenbildern sind die Zirkuswagen und das kleine Zelt zu erkennen. Dort ist der Tross noch angeordnet wie am Tag der Ankunft in Föhrste, im März 2020. In den vergangenen Wochen ist Hoffnung aufgekeimt, dass es für den kleinen Wanderzirkus weitergehen kann.


Da Zirkusbetriebe in Deutschland als gewöhnliche Gewerbebetriebe angesehen werden und nicht unter den Kulturbegriff fallen, erhalten die seit vielen Jahrhunderten geführten Familienbetriebe keine Subventionen oder andere öffentlichen Förderungen. Gerade jetzt in Zeiten der Coronapandemie stehen die Gauckler, Dompteure und Clowns vor dem finanziellen Ruin. Auch in Michael Franks Adern fließt das Blut der Zirkusleute. Seine Vorfahren seien schon vor Jahrhunderten an Adelshöfen aufgetreten, berichtet er stolz. Heute sei das Geschlecht der Franks weit verbreitet. Ein tiefer Einschnitt in die Zirkusgeschichte seien die Verfolgungen im dritten Reich gewesen, so Frank.

Der Traktor, ein ZT 300 aus DDR-Produktion, hat neuen TÜV bekommen, das Zirkuszelt steht jetzt wie in einer Wagenburg in der Mitte, eingerahmt durch die Wohn- und Transportwagen. Um die kleine Manege sind 50 Stühle aufgebaut. „Am Wochenende geben wir zwei Vorstellungen, dann geht’s auf die Suche nach einem neuen Vorstellungsort“, sagt Emmi Frank. Wo es als nächstes hingehen werde, sei noch unklar, so die Schaustellerin. Die finanziellen Mittel seien nach der langen Zwangspause nahezu aufgebraucht. Vor der Abreise müssten zwei neue Bereifungen für einen Zirkuswagen gekauft werden, die Batterie des Schleppers erneuert, sowie Kosten für Benzin und Werbemittel gedeckt werden, so Michael Frank.


„Früher gab es jüdische Zirkusse, davon ist heute keiner mehr übrig." Auch vor diesem Hintergund sind dem Zirkuskünstler die Anfeindungen der letzten Monate, die seine Mutter und er erlebt haben, unverständlich. Denn die Franks erfuhren nicht nur Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung. Der Artist läuft um seinen kleinen Wohnwagen herum und zählt mehr als 40 Einschusslöcher aus einem Luftgewehr. Die nächtlichen Schüsse auf den Zirkus hätten erst nach Zeitungsberichten darüber aufgehört. Doch andere Vorfälle führten weiterhin zu schlaflosen Nächten, so Frank. Der letzte liegt nur wenige Tage zurück. „Vor zwei Tagen hatte ich wieder eine Auseinandersetzung“, erzählt Frank und zeigt auf eine Verletzung am Bein.



Nachts, kurz vor vier Uhr, hätten Unbekannte in der Nähe der Wohnwagen laut Musik gehört und die Hunde absichtlich angeheizt. „Was willst du, verschwindet ihr Dreckspack“, hätten die Ruhestörer Frank entgegnet, der um Ruhe gebeten habe, weil seine 74-jährige Mutter Herzrhythmusstörungen habe. Auf Franks Gesicht spiegeln sich die Anspannung bei gleichzeitiger Erschöpfung wider. Den Clown hat er aber immer noch im Blut: Eben endete sein Bericht über die nächtlichen Attacken, im nächsten Moment sitzt ihm der Schalk in den Augen und wie ausgewechselt bringt er sein Gegenüber zum Lachen. Am kommenden Wochenende wollen sich Emmi und Michael Frank mit zwei Vorstellung aus Föhrste verabschieden. Der Zirkus Siola öffnet seine Manege am Sonnabend und Sonntag, jeweils um 17 Uhr. Die Besucher erwarte ein Programm aus Artistik und Kleintierdressur, Clownerien, Jonglagenummern und Feuerschlucken.

Leistungshühner in Rente

Laut statistischem Bundesamt werden pro Tag im Schnitt mehr als 2 Millionen Tiere geschlachtet. In Zahlen sind das 1,7 Millionen Hühner, 151 000 Schweine, knapp zehntausend Rinder und Kälber. Truthähne, Enten, Ziegen, Gänse, Schafe und allerlei andere Lebewesen nicht mitgezählt. In den sozialen Netzwerken werden dagegen täglich unzählige Bilder und Videos von süßen Hunden und Katzen geteilt. Für Pamela und Lutz Quindel aus Freden ist das ein Widerspruch. Die Oberschullehrerin und der DHL-Mitarbeiter schufen vor vierzehn Jahren ihre eigene Farm der Tiere, auf einem Resthof in Freden, um misshandelten und für den Menschen überflüssig gewordenen Tieren einen Lebens- und Schutzraum zu bieten. Auf rund 25 000 Quadratmetern tummeln sich Pferde, Schafe, Ziegen, Schweine, Hühner, Wachteln, Kaninchen, Gänse, Enten und Meerschweinchen – und natürlich Hunde und Katzen.



„Jedes Tier hier auf dem Hof hat eine ganz eigene Lebensgeschichte“, sagt Lutz Quindel. Viele der Tiere seien von ihren Vorbesitzern misshandelt und ausgesetzt worden, drohten zu verwahrlosen. Oder sie waren für die industrielle Massentierhaltung überflüssig geworden, sobald die Leistung nicht mehr stimmte, erzählt Quindel, während das Huhn mit Namen Studentin auf seiner Schulter herumturnt und Minischwein Urmel – zufrieden grunzend – um seine Beine streicht. Auf der weiten grünen Wiese grasen Schafe, Ziegen und Pferde nebeneinander. Die Hennen auf Quindels Hof stammten aus Hühnerfarmen und seien wegen nachlassender Legeleistung zur Schlachtung bestimmt gewesen. „Als die gefiederten Zweibeiner auf unseren Hof kamen, hatten viele kaum noch Federn und sahen hier zum ersten Mal die Sonne und den Himmel“, erzählt Lutz Quindel. Pferd Nico sei von seinen Vorbesitzern ohne Futter dem sicheren Tod überlassen worden. Durch eine unbehandelte Augenentzündung erblindete das Pferd obendrein.

Von Tierärzten wurde der Wallach Age wegen einer unheilbaren Erkrankung an der Speiseröhre abgeschrieben. „Wir müssen penibel darauf achten, dass Age keinen Halm Heu frisst.“ Das könne jederzeit tödlich enden. Stattdessen werde das Pferd im Rentenalter mit einem speziellen Heubrei gefüttert. Viele der Tiere hier auf dem Hof würden nicht mehr leben, gäbe es nicht den Einsatz der Quindels für den Tierschutz. Mittlerweile hat sich das im gesamten Landkreis herumgesprochen. Wenn Veterinäramt und Polizei wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz auf den Plan treten, sind auch die Quindels oft nicht weit. Der Hof dient dann auch mal als Asyl für Tiere, bis ein neues Zuhause gefunden ist. Wichtigste Voraussetzung sei dann eine Garantie, dass die Tiere gut untergebracht und nicht geschlachtet würden. Auf längere Urlaube müssen Lutz und Pamela Quindel seit Jahren verzichten. Das höchste der Gefühle sei mal ein halber Tagesausflug nach Hamburg – natürlich nach langer und ausführlicher Planung, um die Versorgung der Tiere zu sichern, sagt Lutz Quindel.



Die Tage beginnen für das Ehepaar um 5.30 Uhr mit der Fütterung der Tiere, bevor Lutz und Pamela zur Arbeit fahren. Auch nach dem Feierabend zieht sich die Oberstufenlehrerin als erstes die Gummistiefel an, um Ställe auszumisten und Tiere zu füttern. Erst am Abend, wenn alle Vierbeiner versorgt sind, hat sie Zeit, Schularbeiten zu kontrollieren und den Unterrichtsstoff vorzubereiten. Der Einsatz der beiden Vegetarier beruhe auf dem Respekt vor den Mitgeschöpfen und geschehe aus Überzeugung, sagen sie. Finanzielle Unterstützung bekommen die beiden Tierschützer durch den eigens gegründeten Verein „Little-Q-Ranch“. Futterspenden erhalten sie auch von umliegenden Supermärkten. Der Delligser Rewe-Markt fordert seine Kunden seit Jahren auf, Leergutbons an den Pfandautomaten für den guten Zweck zu spenden. „In der Vergangenheit kamen Spenden für den Delligser Kindergarten oder eine Tischtennisplatte zusammen“, erzählt der Marktleiter André Spreng.

Jeweils über ein halbes Jahr werde für ein Thema gesammelt, erklärt der 49-Jährige und freut sich sichtlich, einen Spendenscheck über 250 Euro an die Quindels überreichen zu können. Jede noch so kleine Spende kann der Verein gebrauchen: Allein 200 Ballen Heu, pro Ballen 250 Kilogramm, schaffen sie im Jahr für die Tiere an. Der Preis für einen Ballen liegt bei etwa 50 Euro. Da kommt einiges zusammen. „Viele behaupten, man könne die Welt nicht retten“, weiß Lutz Quindel. Es gehe doch aber nicht darum, die Welt zu retten, es würde schon genügen, nicht soviel Schaden anzurichten. Geld und materielle Dinge spielten daher im Leben der Quindels keine große Rolle. Quindel hält es mit einem Spruch der Irokesen: „Der Mensch glaubt manchmal, er sei zum Besitzer, zum Herrscher erhoben worden. Das ist ein Irrtum. Er ist nur ein Teil des Ganzen. Seine Aufgabe ist die eines Hüters, eines Verwalters, nicht die des Ausbeuters. Der Mensch hat Verantwortung, nicht Macht.“


Der Falkner


Die Falknerei ist mehr als 3.500 Jahre alt. Als die Reiterheere des Hunnenkönigs Attila in der Spätantike Europa unsicher machten, begleiteten hunderte Falkner die Truppen, um sie mit Nahrung zu versorgen. Das Wissen um die Jagd mit Raubvögeln fand auf diesem Weg Einzug nach Europa. Heute gibt es in Niedersachsen um die 200 Falkner, deutschlandweit sind 2.500 Falkner registriert. Weltweit betreiben geschätzt 7.500 Falkner die traditionsreiche Art des Jagens. In der Jägersprache heißt die Jagd mit einem Raubvogel Beizjagd. Dafür gelten im Grunde dieselben Regeln wie für die herkömmliche Jagd. „Ob ich mit Vogel oder Büchse jagen gehe, die Regeln sind immer dieselben“, meint Schüttler. Die Beizjagd sei die hohe Schule der Jagd, und die Jagd mit einem Adler wiederum die hohe Schule der Beizjagd, sagt Schüttler. „Ein Adler fliegt bis zu 400 Metern hoch und muss aus freien Stücken zurückkommen.“ Das Vertrauen der Tiere müsse sich ein Falkner mit viel Zeit und Geduld erarbeiten. „Beim Harris Hawk, dem Wüstenbussard, bin ich der Chef, beim Adler bin ich der Freund. Hat sich der Adler für mich entschieden, dann hält das Band ein Leben lang.“ Schüttler hat seinen Adler seit August .

Er sieht sich und den Vogel auf einem guten Weg. „Ich kann den Adler schon jetzt aus der Voliere nehmen und auf die Faust setzen. Bis wir beide zusammen jagen gehen können, wird es wohl noch einige Wochen dauern.“ Deutschlandweit gebe es nur wenige Adlermänner und -frauen. Die Beize, das Abrichten der Vögel, beanspruche viel Zeit. Das Zusammenspiel zwischen Falkner und Vogel habe viel mit Intuition und Gefühl zu tun. „Habe ich den Vogel einmal falsch behandelt, beispielsweise die Beute zu schnell weggenommen, dauert es sehr lange, bis dieser wieder Vertrauen zu mir aufbaut.“ Ein Wüstenbussard verzeihe leichter Fehler des Falkners als der einheimische Habicht. Wenn der Habicht verstoße, also nicht zum Falkner zurückkehre, habe der Jäger nur drei Tage Zeit, um den Vogel einzufangen. Danach sei ein Habicht wieder wild. Vor einer anstehenden Saison müsse der Vogel abgetragen werden. „Abtragen bedeutet, ich bereite den Vogel darauf vor, mit mir auf ein bestimmtes Wild auf die Jagd zu gehen.“ Mit seinem Wüstenbussard stellt Schüttler vornehmlich Krähen nach. Jedes Jahr aufs Neue bereitet Schüttler seinen Wüstenbussard in zweimonatiger Arbeit auf die Jagd vor.



„Plane ich die Jagd auf Krähen, bekommt mein Vogel eine tote Krähe gemeinsam mit einem Hühnerküken, der vornehmlichen Nahrung von Raubvögeln in Gefangenschaft.“ Dem Vogel werde so beigebracht, im Austausch zur Beute ein Küken als Nahrung zu akzeptieren. Ist der Stichtag für die Jagd festgesetzt, werde der Raubvogel auf das ideale Jagdgewicht gebracht. In der Ruhephase wiege ein Harris Hawk 1150 Gramm. Mit 950 bis 1000 Gramm sei der Bussard hungrig und bereit für den Raubzug. Das Jagdgewicht des Harris Hawk schwankt zwischen 1000 und 1150 Gramm. „Meine drei Harris sind alle auf Krähen abgetragen, und in jedem Jahr wird die Beute für das Abtragen neu festgelegt. Derzeit fange ich mit jedem Vogel zwischen zehn und zwölf Krähen.“ Von November bis Februar ist die Jagd auf Krähen freigegeben, die restliche Zeit des Jahres seien die Tiere gesetzlich geschützt. Sei der Vogel satt, verdaue er bis zu 16 Stunden und fliege keinen Meter weit. „Da können Sie unten einen Tanz aufführen, der Jäger jagen nicht nur, sie beschäftigen sich auch mit Naturschutz und kennen sich in Flora und Fauna aus. Das ist für Schüttler ein wichtiges Credo. Wenig bekannt ist, dass Falkner Raubvögel auch auswildern, um damit die Bestände an wild lebenden Tieren zu sichern.

Schüttler tut dies und kümmert sich zudem jährlich um bis zu 15 verletzte Raubvögel, die ihm von Behörden nach Unfällen gebracht werden. Kritisch blickt der Jagdschulleiter auf die Landwirtschaft im Leine- und Weserbergland. „Wenn die Bauern mehr Pestizide und Herbizide einsetzen, haben wir natürlich weniger Insekten. Da wird eine Kette in Gang gesetzt, die dem gesamten natürlichen Kreislauf schadet“, so Schüttler. „Die großen Mengen an Gülle, die von vielen Bauern auf den Feldern ausgebracht werde, verkleben nicht nur den Boden und alles Leben darauf, sondern schadet auch unserem Trinkwasser.“ Der Landkreis Holzminden hat zehn Straßenabschnitte, an denen Kröten und Frösche während der Wanderung eingesammelt werden. Schüttler habe an der Hohen Warte dafür gesorgt, dass sich die dortige Population von Kröten stabilisiert habe, berichtet Marlies Zuidema vom Kreisnaturschutzamt. „4.000 Kröten werden da von Manfred Schüttler jährlich über die Straße getragen. Das ist erheblich und im Landkreis der Abschnitt mit der höchsten Population an Amphibien.“ Vor einigen Jahren sei ihm die hohe Anzahl überfahrener Kröten an der Hohen Warte aufgefallen, seither sei er in jedem Frühjahr zur Stelle, um ihnen über die Straße zu helfen. In diesem Jahr zählte Schüttler nur 2.000 Kröten. Die andere Hälfte sei beim Pflügen des Ackers getötet worden, glaubt Schüttler.
